Warum sich der Lehrer Franz Xaver Gruber mit dem Flachs auskennt

Während seine Frau Maria an der Soutane vom Hilfspfarrer Mohr den letzten Knopf annäht, sinniert der Lehrer Gruber vor sich hin. Warum die Monarchen über das Leben der Leute bestimmen dürfen, ohne jemals Rücksicht zu nehmen. Das kommt ihm seltsam vor, wenn er's recht bedenkt. In seiner Heimat, im Innviertel, da ist es vergleichsweise friedlich zugegangen. Er ist in einer Leinenweber-Familie groß geworden, da hat der Flachs das Leben bestimmt: Jedes Jahr wird er neu gesät und geerntet; geriffelt, gewässert und wieder getrocknet. Erst dann wird der Bast durch die spitzen Nadeln der Hechel gezogen und in kurze Fasern zerlegt. Die ganze Familie arbeitet hart daran. Die Frauen und die Mädchen spinnen dann den Flachs zu Garn, die Männer und die Burschen bedienen die schweren hölzernen Webstühle. Bis zu seinem 18. Jahr hat Franz Gruber daheim mitgearbeitet, wie alle in der achtköpfigen Familie. Nebenbei hat er vom Organisten das Orgelspielen lernen dürfen, weil er so musikalisch war. Und dann hat der Vater endlich zugestimmt, dass er Lehrer werden darf. Und jetzt sitzt er also hier im österreichischen Arnsdorf und ist schon seit über 10 Jahren Lehrer. Im neuen Oberndorf, das früher nur ein Vorort der Schifferstadt Laufen war, ist er auch noch Mesner und Organist. Dort haben die geistlichen Herren aus Salzburg die Nikolauskirche als neue Pfarrkirche eingesetzt und den Hilfspfarrer Joseph Mohr geholt, damit er sich nützlich macht. Der Lehrer Gruber wird gleich morgen in der Nikolauskirche ein Licht anzünden und ein Dankgebet sprechen - und dann wird er den Hilfspfarrer Mohr besuchen und mit ihm ein Bier trinken!

https://www.stillenacht.info/audio-podcast/05_Flachs_gv2bn.mp3