Wie in Oberndorf gejausnet wird
Das Zimmer des Hilfspfarrers Joseph Mohr ist nicht groß. Weil es neben der Nikolauskirche in Oberndorf keinen Pfarrhof gibt, muss er im Mesnerhaus wohnen. In seinem Zimmer stehen ein Bett, ein Tisch und zwei Sessel. Außerdem der Kleiderkasten und eine Kredenz, die Eigentum der Pfarre sind. In der Tischlade hat er eine Speckseite und etwas Brot, auch eine Dose mit Lebkuchen hat er sich aufgehoben. Immer wieder bekommt er Naturalien von dankbaren Familien. Erst unlängst ist er besonders schnell zu einem entlegenen Hof gewandert, um ein Frühgeborenes notzutaufen. Er kam zum Glück rechtzeitig, um den Taufsegen zu sprechen. Das Kind wurde später sogar recht gesund und kräftig. Gott sei Dank! Und die dankbaren Eltern brachten ihm beim nächsten Messbesuch einen ganzen Sack voller Lebensmittel, da konnte sich Joseph Mohr noch so wehren. Heute sind ihm seine Vorräte gerade recht für eine gemütliche Jause mit dem Lehrer Franz Xaver Gruber. Mit dem Messer schneiden sie den Speck in feine Scheiben und essen ihn zum Brot, zum Runterspülen haben sie zwei Krüge Bier aufgetrieben. Zwischendurch besprechen sie die wichtigsten Neuigkeiten: Dass die Schiffer zurzeit wenig Arbeit haben, weil die Salztransporte am Fluss immer weniger werden. Und dass die Orgel in der Nikolauskirche kaum mehr zu spielen ist, weil so viele Pfeifen kaputt sind. Mit einem Segensspruch verabschiedet sich der Hilfspfarrer Mohr dann von seinem Freund, die Pflicht ruft: Er muss noch die Abendmesse halten, die heute zum Andenken an den verstorbenen Mesner gelesen wird.
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