Wie die Leute hier in Oberndorf den Advent feiern
Der Lehrer Gruber hat den Besuch beim Hilfspfarrer in Oberndorf recht genossen, aber jetzt muss er heim nach Arnsdorf, seine Frau Maria wartet sicher schon auf ihn. Und wirklich: Als er endlich heim kommt, ist sie sichtlich erleichtert. Sie macht gerade Strohsterne, die werden zu Weihnachten die Stube schmücken. Der Advent ist hier in der Oberndorfer Gegend eine ruhige Zeit, der Fluss führt wenig Wasser und der Handel kommt praktisch zum Erliegen. Die noblen Schiffsherren haben Zeit, die Rechnungsbücher zu prüfen und ihren Gewinn zu zählen. Die einfachen Schiffsleute untersuchen die Zillen und beginnen mit den Reparaturarbeiten. Die Frauen bereiten inzwischen den Haushalt auf das Weihnachtsfest vor. Sie schauen nach den Vorräten, zählen die Speckseiten unterm Dach und kramen die guten Rezepte aus den Laden. Mehl, Honig, Eier und Gewürze werden dann vermischt und geknetet. Die süße Masse wird zu Lebkuchenteig verarbeitet und langsam gebacken, die Kinder dürfen die fertigen Stücke mit halben Nüssen oder Mandeln verzieren. Jede Hausfrau hat ihre eigene Arbeitsweise: Manche nehmen immer das gleiche Rezept, andere versuchen es jedes Jahr mit einer neue Mischung. Die eine legt einen halben Apfel in die Dose, damit die Kekse saftig bleiben, die andere nimmt dafür eine Scheibe frisches Brot. Und so mancher Großvater schnitzt noch schnell eine Figur für die hölzerne Krippe, damit das Christkind am Ende nicht ohne seine heilige Familie auskommen muss. Spät am Abend, wenn die Kinder längst schlafen, sind Eltern und Großeltern noch beschäftigt: Damit es am heiligen Abend eine Bescherung geben kann, wird fleißig gestrickt und gestickt, gewalkt und geschmückt. Weil die Winter hier kalt sind, brauchen alle in der Familie warme Sachen: Socken, Handschuhe, Mützen und Schals sind deshalb am Weihnachtsabend gern gesehene Geschenke.
https://www.stillenacht.info/audio-podcast/09_Oberndorfer_Adventszeit_8leoyc.mp3