Warum die Schiffer in Oberndorf nicht mehr so reich sind wie früher

Als der Lehrer Franz Xaver Gruber nach dem Unterricht wieder in seiner Stube sitzt, hat er noch immer goldene Finger, weil sich die Farbe mit Wasser nicht abwaschen lässt. Also nimmt er die Flasche Schnaps aus dem Kasten - die steht immer ganz hinten links - und versucht es mit Alkohol. Als die Finger endlich sauber sind, nimmt er einen tiefen Schluck aus der Flasche. Heute geht ihm das Nachdenkliche nicht aus dem Kopf: Dass die Kriegsjahre zwar vorbei sind, der Frieden aber bei Licht besehen trostlos ausschaut. Dass die Schiffer und ihre Familien in einer Zeit der Veränderung leben. Was war gestern, was wird morgen sein? Er macht noch einen Schluck aus der Schnapsflasche. Hier auf der österreichischen Seite der Salzach sind die besten Zeiten vorbei, weil Oberndorf ja nur der abgetrennte Rest der wichtigen Salzschifferstadt Laufen ist. Nicht einmal einen Pfarrhof gibt es hier, den neuen Friedhof haben sie selbst anlegen müssen, und das Geld wird langsam knapp. Die Orgel in der Nikolauskirche in Oberndorf ist in einem jämmerlichen Zustand, weil sie nach Brand und Hochwasser nur notdürftig ausgebessert worden ist: Etliche Orgelpfeifen sind schadhaft, manche fehlen überhaupt, und das Leder vom Blasbalg ist inzwischen vom vielen Flicken ganz brüchig geworden. Einmal hat der Lehrer Gruber während der heiligen Messe ein neues Loch im Balg mit seinem Taschentuch gestopft. Aber das hat nicht gehalten, deshalb haben sie beim feierlichen Auszug keine Orgelbegleitung mehr gehabt. Hilfspfarrer Mohr hat schnell ein deutsches Marienlied angestimmt und alle haben brav mitgesungen, bis die Ministranten und er endlich in der Sakristei waren.

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