Was die Schulkinder so alles können müssen

Nachdem also alle zusammen geholfen haben, sind die Kinder und das Klassenzimmer herausgeputzt und die Inspektion kann beginnen. Der Inspektor ist sichtlich guter Dinge, er hat im örtlichen Wirtshaus gut gegessen und auch ordentlich getrunken.

Hilfspfarrer Mohr beginnt also mit dem „Vater Unser", die Kinder setzen ein und leiern das Gebet herunter, mit dem sie jeden Morgen den Unterricht beginnen. Die älteren Kinder, die schon länger in die Schule gehen, machen das ganz gut. Und die Jüngeren murmeln unauffällig hinterdrein, darin haben sie Übung.

Als nächstes werden die fünf Sätze des glorreichen Rosenkranzes abgeprüft, der in den meisten Familien am Sonntag gebetet wird. Auch die sieben Todsünden und die14 Stationen des Kreuzwegs sollen die Kinder aufzählen. Einmal kommen sie ins Stocken und schauen sich ratlos um, da flüstert ihnen der Hilfspfarrer selbst die fehlenden Worte zu. Der Inspektor hat nichts gemerkt. Er steht am anderen Ende des Schulzimmers, ganz nah beim wärmenden Ofen und putzt sich mit einem kleinen Holzspan die Essensreste aus den Zähnen. Als er damit fertig ist, nimmt er ein Büchlein aus seiner Tasche und öffnet es an der Stelle, die mit einem Lesezeichen markiert ist. Dann geht er von Tisch zu Tisch und lässt jedes Kind ein paar Sätze lesen. Es ist das Märchen von Hänsel und Gretel, das die Kinder ohnehin gut kennen. Die Geschickteren unter ihnen schmücken die Sätze mit eigenen Worten aus, die Kleineren buchstabieren tapfer ein Wort nach dem anderen. Bis auch sie bewiesen haben, dass sie lesen können.

Dann schreibt der Lehrer Gruber drei Rechnungen an die Tafel. Es sind die gleichen, die er erst letzte Woche mit den Kindern geübt hat. Er hofft inständig, dass sie sich noch daran erinnern, wie sie gelöst werden. Als auch das geschafft ist, beantworten die Kinder noch einige Fragen zu Kaiser, Propst und Papst. Zum Abschluss singen sie noch „Ihr Kinderlein, kommet!", das Joseph Mohr auf seiner frisch gestimmten Gitarre begleitet. Dann tritt der Herr Inspektor die Weiterreise an, er wird heute noch in St. Georgen erwartet.

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